Wälder in den Südlichen Chiemseemooren

In der Fläche wiesen Hochmoore ursprünglich keinen oder nur degenerierten Baumbestand auf. Sehr wohl bildeten sich aber ausgeprägte, mit höherwertigen Bäumen bestandene Zonen an den Übergängen zur umgebenden Landschaft: der sog. Moorrandwald.

Ursachen sind die geringere Dicke des Moorkörpers am Rand des Moorareals bzw. der Übergang zum normalen Mineralboden sowie insgesamt trockenere Bodenverhältnisse. Baumwurzeln können sich dann infolge besserer Bodendurchlüftung und der Gegenwart von mineralischem Untergrund bzw. nährstoffreicheren Schichten gut entwickeln. Die Waldverteilung in den Südlichen Chiemseemooren um 1810 ist auf der untenstehenden Bestandskarte dokumentiert.

Die ursprüngliche Baumvegetation der Moorrandwälder bestand vor allem aus Birken, Schwarzerlen, Kiefern und insbesondere Fichten. Eichen gedeihen im Moorrandwald gut im Bereich von Moor-Mineral-Mischböden, also z.B. in Übergangszonen vom Niedermoor zum Hochmoor.

Insgesamt bevorzugt dieser Wald also etwas trockenere Verhältnisse als sie im eigentlichen Hochmoor vorliegen. Die für den Torfabbau bzw. die Kultivierung des Moores notwendige Entwässerung des Moorbodens veränderte allmählich die Vegetationsbedingungen und begünstigte einen zunehmenden Aufwuchs von Bäumen. Bereits in sehr früher Zeit zeigt sich die Wirksamkeit menschlicher Eingriffe in die Natur: In der Kartendarstellung ist entlang des Süd-Nord verlaufenden Saliterbachs im Uferbereich ein Moorrandwald dargestellt, der geradlinig eine ansonsten durchgängig intakte Hochmoorfläche förmlich durchschneidet.

Der Saliterbach ist eine jahrhundertealte erste künstliche Entwässerungsmaßnahme in den Chiemseemooren gewesen (angeblich auf Initiative des Klosters Frauenchiemsee), um die anfallenden Bergwässer auf kürzestem Weg durch die Talebene Richtung Chiemsee abzuleiten. Die veränderten Wasserverhältnisse in der Umgebung des Entwässerungsgrabens führten zum frühen Aufwuchs eines engen Waldsaums in der ansonsten ungestörten Hochmoorfläche der Rottauer- und Hackenfilzen.

Der Kampf zwischen Wald und Moor

U.a. ist die Fichte seit der Eiszeit ein typischer Baum des ursprünglichen Moorrandwaldes in den Alpenrandmooren. Sie ist auf nördlichfeuchte Klimaverhältnisse angewiesen, was ihr heutzutage bei der fortschreitenden Klimaerwärmung zunehmend Schwierigkeiten macht.

Fichten und Erlen bereiteten nach der Niedermoorphase einer Landschaft oft die Startbedingungen zur Entstehung von Hochmooren. Ihre Nadel- und Laubstreu führte im Lauf der Zeit zum Aufbau eines sehr sauer reagierenden Rohhumuspolsters auf dem Waldboden. Bei ausreichend hoher Bodenfeuchte kann dann Torfmoos Fuß fassen und sich flächenmäßig ausdehnen. Der Stoffwechsel von Torfmoos führte dann zu einer weiteren Steigerung des Säuregrades im Boden, gepaart mit einer Anhebung der Bodenvernässung, wodurch sich die "hochwertigen" Bäume nicht mehr halten und fortpflanzen können.

Der Wald wird in Bereiche zurückgedrängt, wo die Bäume durch die Bodenchemie mit säurepuffernden Bodenmineralien bzw. einen geringerem Bodenwassergehalt gegenüber den Torfmoosen konkurrenzfähig bleiben. Und genau dies geschieht an den Moorrändern. Diese erkennbare Verdrängung von Waldbestand aus der Fläche an den Rand des Hochmoores führte zur griffigen Formulierung: "Das Hochmoor ist der Feind des Waldes."

Die Grenze Wald/Moor beschreibt also ein Langzeitgleichgewicht unter dem Einfluss verschiedenster Umweltparameter aus Luft, Boden, Hydrologie und Biosphäre, das sich über Jahrzehnte bzw. sogar Jahrhunderte hinweg bildet.

Dieser obige Mechanismus kann aber in beide Richtungen wirken: Ändern sich die Umweltbedingungen z.B. hin zu trockeneren Verhältnissen, wie z.B. durch den Klimawandel oder durch Entwässerungsmaßnahmen, dann führt ein langfristig absinkender Wasserpegel ausgehend von den Rändern wieder zur stärkeren Ausbildung von Moorwäldern.

Momentan würde der Wald gewinnen

(wenn man ihn ließe).

Wie tiefgreifend und schnell sich das Erscheinungsbild der Südlichen Chiemseemoore seit der Aufzeichnung der Baumann'schen Bodenkarte im Jahre 1896 durch die Entwässerung und andere Eingriffe des Menschen verändert hat, wurde von verschiedenen Autoren beschrieben, z.B. von Hans Schmeidl von der Moorversuchsstelle Bernau bereits in den 1970er-Jahren in seiner Arbeit "Wandlung einer Moorlandschaft am Beispiel der Südlichen Chiemseemoore" sowie Robert Frankl "Zur Vegetationsentwicklung in den Rottauer Filzen (südliche Chiemseemoore) im Zeitraum von 1957 bis 1992".

Auf heutigen Luftaufnahmen des Areals südlich der Bahnlinie zeigt sich in weiten, als ehemals "waldfrei" ausgewiesenen Bereichen, ein ausgeprägter Baumbewuchs.

Ein prägnantes Beispiel hierfür findet sich im Bereich des Hackens: Auf der Zentralfläche der Hackenfilzen zwischen Saliterbach und Rott wurde noch Anfang des 20. Jahrhunderts ein baumfreies Hochmoor festgestellt.

Heute findet man hier einen geschlossenen Bestand von seltenen Spirken, eine Sonderform der Bergkiefer. Ändern sich die Verhältnisse, dann verändert sich auch das Moor wieder über größere Zeiträume. Dabei muss man sich immer im Klaren sein, dass alle Naturlandschaften einer großen Zahl von unterschiedlichsten, z.T. auch noch unbekannten Einflussgrößen und Wechselwirkungen ausgesetzt sind, insbesondere Moore sind hier außergewöhnlich empfindlich.

Wir drehen die Uhr zurück

Allerdings folgen die Naturschützer seit Jahrzehnten ausgesprochen unsensibel einem eindimensionalen Reflex, der in folgender "Überlegung" resultiert: Die "schädlichen" Auswirkungen auf das Moor (Hilfe, der Wald wächst) kommen von der Entwässerung, also drehen wir den Prozess um und setzen nun wieder alles unter Wasser, dann müssten wir ja wieder zu den alten Verhältnissen zurückkehren: Die sog. Wiedervernässung war erfunden. Und je mehr man alles unter Wasser setzt, umso besser: Viel hilft viel.

Aufgrund der vielfältigen Änderungen in der Umwelt, u.a. durch Klimawandel und Nährstoffzufuhr durch Luftverschmutzungen (Nitrat aus den Diesel-Stickoxiden) bzw. des Zustands des Moorbodens und der damit verknüpften Vegetation über die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte, darf bei der Komplexität der Vorgänge sehr wohl bezweifelt werden, ob das auch nur annähernd funktioniert.

Dies ist auch dem "menschlichen Faktor" im Umgang mit dem Moor geschuldet. Die Bäume und die "falsche" Vegetation stören zwar die Befindlichkeit der sog. Naturschützer und sie sollen durch die Wiedervernässung zerstört werden. Wegschaffen der "überflüssigen" Biomasse ist aber zu mühsam, also lässt man alles im Moor stehen und liegen und vergammeln. Ergebnis: Statt die Bäume Sauerstoff produzieren und Kohlenstoff binden zu lassen, begann nun Mutter Natur ihrerseits, die verschiedenen Filzen in große Biogasanlagen zur Herstellung von Methan aus abgesoffenen Bäumen (und anderer Vegetation) umzuwandeln. Der Output verflüchtigt sich in die Atmosphäre. Und dies trotz der gebetsmühlenhaft vorgetragenen Aussage der Naturschützer, dass die Wiedervernässung die Atmosphäre schützt.

Eigentlich sollte sich der Biomassehof Achental über so einen Holzbeitrag aus dem Moor freuen, um seinem Auftrag einer regional nachhaltigen Energieversorgung gerecht zu werden. Aber es ist auch hier bequemer, sich das Holz von außerhalb zu holen. Dabei hätte man gerade mit den Arbeiten der Bernauer Moorversuchsstation genügend wissenschaftliches Material, hier fundierter vorzugehen. In den Südlichen Chiemseemooren wurden auch Aufforstungsversuche zu Studienzwecken betrieben. Eine wichtige Erkenntnis war, dass alter Baumbestand auf ehemaligen Moorflächen den Wasserabfluss in der Folge von Starkregen-Ereignissen deutlich verstetigt. Stattdessen versuppt man hier und heute eine intakte Landschaft und behauptet, das sei eine besondere Form von Hochwasserschutz.

Inzwischen beginnt man in Zeiten des Klimawandels aber anderweitig, den ökologischen Nutzen von Baumbeständen zu erkennen, der weit über das entsprechende Potenzial von degenerierten hochmoorähnlichen Flächen hinausgeht. Es ist abzusehen, dass hier in nicht allzu fernen Zeiten ein Umdenken in Sachen Renaturierung ehemaliger Moorflächen erfolgen wird und man z.B. waldmoorähnlichen Landschaften bei geeigneten Voraussetzungen den Vorzug gegenüber einem hypothetischen Hochmoor geben wird.

Das nördliche Achental könnte sich aber bis dahin zwischen alle Stühle gesetzt haben: Die gewachsenen Verhältnisse sind zerstört und das zukünftige Hochmoor funktioniert überhaupt nicht. Einschlägige Überlegungen zur Landschaftsgestaltung von ehemals genutzten Moorböden wurden in Bernau bereits in den 1970er-Jahren von der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau, Moorforschungsstelle Bernau, angestellt. Hans Schmeidl wies bereits damals darauf hin, dass insbesondere gestörte Hochmoorböden im strengen Sinn eines intakten Hochmoores gar nicht mehr zu renaturieren sind. Vielmehr schlägt er als landschaftsgestalterische Maßnahme eine schneller wirksame Aufforstung solcher Flächen mit waldmoortypischen Bäumen vor.

Das Ziel war aber weniger die Holznutzung bzw. der Stangerlwald, als vielmehr eine ästhetische Landschaftsgestaltung mit hohem Freizeitwert. Nach heutigen ökologischen Gesichtspunkten sind solche Baumareale wesentlich effektiver in Sachen Bindung von Treibhausgasen, behaglichem Mikroklima, Grundwassersituation und Dämpfung von Hochwasserereignissen bei Starkregen als die angestrebten Torfmooskunstwelten.

Literatur

  • Hans Schmeidl: Zur Frage einer Regeneration aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommener Hochmoorflächen.
    TELMA Band 2 S 119/1972.
  • Robert Frankl: Zur Vegetationsentwicklung in den Rottauer Filzen (südliche Chiemseemoore) im Zeitraum von 1957 bis 1992.
    Bayreuther Forum Ökologie, Band 37, 1996.